Mein Büro im Bush: Ein Rückblick
Ich habe lange gezögert diesen Beitrag zu schreiben. Einerseits weil er viel persönlicher ist als all die Artikel, die ich bisher geschrieben habe und andererseits, weil ich auf den richtigen Zeitpunkt wartete, wohl wissend dass es diesen nicht gibt.
Im August 2021 habe ich beschlossen meinen Bürojob aufzugeben, um in Südafrika eine Ausbildung zum Professional Field Guide zu machen. Eine Ausbildung, die 1 Jahr dauert und Dinge umfasst, wie das Erlernen von 125 Vogelstimmen, Pflanzen und deren Nutzen, das Verhalten der Tiere, Spurenlesen, sowie den Umgang mit einem Großkaliber-Gewehr. 1 Jahr lang ohne Online-Meetings, E-Mails und Telefonate. Dafür hautnahe Begegnungen mit Löwen, Nashörnern und Elefanten. Ich glaube jetzt ist die Zeit gekommen, um zu reflektieren…
Wie kam es dazu?
Die Idee einen Beruf zu finden, bei dem ich die meiste Zeit in der Natur verbringe, hatte ich schon lange. Dass es dann ausgerechnet Afrika geworden ist, war ein Zufall. Ich steckte schon längere Zeit in einem Dilemma: einerseits liebte ich die Stadt (Wien) und all die Möglichkeiten, die sie mir bietet und andererseits verspürte ich einen starken Drang zur Natur, zur Wildnis und zu Orten der Stille. Umgeben von Bäumen und Wiesen und frei von Beton.
Während der Arbeit hatte ich oft überlegt, wie ich mein Wochenende gestalte, um möglichst tief in die Natur abzutauchen und abschalten zu können. Ich hab mir Wanderrouten und Radtouren rausgesucht oder bin mit dem Auto auf einen Roadtrip gefahren. Möglichst ohne viel Gepäck und große Vorbereitung. Und wer mich kennt, weiß dass ich dabei auch gerne außerhalb der Komfortzone Dinge unternommen habe: Mit Wildschweinen in der Lobau gecampt, Eisbaden in der Donau, mit dem Schlauchboot nach Bratislava, im Schlafsack in einer Höhle übernachtet usw.
Ich war auf der Suche nach Wildnis, nach einer Herausforderung, nach einem echten Abenteuer. Knapp ein Jahr vor meiner Abreise war ich plötzlich wieder Single, ohne Wohnung und es gab nichts was mich zurückhalten konnte. Nicht einmal Corona. Und ich wagte erstmals Dinge außerhalb von Österreich in Betracht zu ziehen. Ich recherchierte gezielt einer Ausbildung, wo ich viel in der Natur sein, aber auch viel Lernen würde. Der Professional Field Guide Course von EcoTraining hat mich dann am meisten überzeugt.
Professional Field Guide Course
Der einjährige Kurs findet in fünf verschieden Camps in unberührten Naturlandschaften Südafrikas und Botswanas statt. Die Camps sind nicht eingezäunt und man lebt in einem Zelt mitten im Busch.
Hier lernt man die ersten 6 Monate Expertenwissen über die afrikanische Tier- und Pflanzenwelt, sowie die notwendigen Skills zum professionellen Guiding. Nachdem alle Prüfungen abgelegt sind, ist man ein zertifizierter Field Guide. Es folgt ein halbes Jahr auf einer Lodge, auf der man praktische Erfahrung sammelt und in den Alltag eines Safari Guides eintaucht.
In den ersten Wochen bekommt man so viele neue Informationen und man ist schnell überfordert und fragt sich, wie man sich das alles merken soll. Die Tage bestehen aus frühen Morning Drives, Unterrichtseinheiten, Study Time, Evening Drives und spät Abends versucht man sich die viele Bird Calls zu merken. Freizeit hat man hier kaum. Dafür erlebt man die Natur so intensiv wie selten zuvor: man wacht vor Sonnenaufgang auf, ist den ganzen Tag im Busch und abends sitzt man am Lagerfeuer oder genießt einen Sundowner. Man hört keine Autos, sieht täglich mehr Tiere als Menschen und dadurch das man ständig in Bewegung ist, schläft man am Ende des Tages wie ein Stein.
Einen Alltag gibt es nicht. Und mit der Zeit weiß man gar nicht mehr welcher Wochentag gerade ist. Aber man erinnert sich an bestimmte Tage. Wie zum Beispiel der Tag, an dem wir zu Fuß in ein Löwenrudel geraten sind, oder das eine Mal als ein Affe in meinen Rucksack gekackt hat, oder als es 3 Tage lang nur geregnet hat und der Fluss übergelaufen ist und das Volleyballnetz mitgerissen hat. Und selbst an Tagen an denen nichts spektakuläres passiert, oder an Tagen wo man hart Lernen muss und keine Zeit für gar nichts hat, denk ich mir: Immer noch besser als im Büro zu sitzen und E-Mails zu beantworten.
Meine Highlights
Hier ein paar Momente, die mir stark in Erinnerung geblieben sind.
Eine Hyäne hat meinen FlipFlop gestohlen: Es war mitten in der Nacht, als mich etwas weckte. Ich rührte mich nicht vom Fleck als ich die riesige Fratze einer Hyäne vor mir sah. Uns beide trennte nur ein dünnes Moskitonetz. Das Netz ließ sich nicht ganz schließen, deshalb stopfte ich immer ein Paar Socken in den Schlitz. Die Hyäne schnüffelte am Socken und ich sah bereits die Hyäne ins Zelt marschieren. Ich nahm meine Taschenlampe und leuchtete ihr ins Gesicht. Danach verschwand sie in die Dunkelheit der Nacht.
Der Sleep Out im Cycad Reserve: Die Natur in Südafrika ist gewaltig. Am schönsten und intensivsten fand ich unsere Sleep Outs, wo wir unter offenem Sternenhimmel mitten im Busch übernachtet haben. Dieses Fotos ist vom Lillie Cycad Reserve. Ein magischer Ort und zugleich der einzige auf der ganzen Welt wo diese Palmenart natürlich wächst. Wir durften hier zwei Nächte verbringen, nur mit Schlafsack unterm Sternenhimmel, ein kleines Lagerfeuer um Leoparden fernzuhalten, rundherum nichts als Stille.
Survival Kurs in Botswana: Nach bestandener Prüfung wollte ich unbedingt ins Okawango Delta nach Botswana. Pat, einer unserer Trainer schwärmte von diesem Ort, der wilder und abenteuerlicher ist als alles was ich bisher in Südafrika gesehen habe. Er selbst gehört zum Stamm der Bayei und ist in einem kleinen Dorf mitten im Delta aufgewachsen. Bereits als kleiner Junge musste er sich mit Elefanten um Datteln streiten und hat gelernt mit dem traditionellen Mokoro Boot geschickt das Fischernetz auszuwerfen, ohne von Nilpferden erwischt zu werden.
Gemeinsam mit Tim, der auch mit mir den Kurs machte, lernten wir von Pat, wie man einen Shelter aus Palmenblättern und wilden Salbei baut, essbare Pflanzen, Fischfang und Fallenbau. Das Highlight war definitiv alleine in einer selbstgebauten Hütte in einer Lagune voller Nilpferde zu übernachten. Ich hab mich noch nie so lebendig gefühlt als wie in diesem Moment. Das Brüllen der Löwen, Paviane-Gekreisch und das Schmatzen der Nilpferde hielt mich lange Zeit wach. Es war genau das Abenteuer, das ich mir in Afrika erhofft hatte.
Wer Lust bekommen hat auch mal so einen Kurs zu machen, kann sich gerne bei mir melden. Ich habe vor in Zukunft mit Pat solche Kurse in Botswana zu organisieren.
Wie geht es weiter?
Momentan arbeite ich als Safari Guide in einem Private Game Reserve in Eastern Cape. Neben meinen Tätigkeiten als Guide, füttere ich hier regelmäßig die Tiere, kontrolliere die Zäune und sorge dafür dass auf der Lodge alles funktioniert. Die Lodge ist sehr entlegen und befindet sich auf einem Hügel von dem man wunderschöne Sonnenuntergänge bewundern kann. Ich genieße hier einerseits die Stille und habe gleichzeitig immer wieder gute Gespräche und Austausch mit den Gästen.
Ich möchte noch bis Mitte August in Südafrika bleiben. Danach will ich zurück nach Österreich und etwas Neues starten. Einerseits würde ich gerne Kurse in Afrika anbieten, um Leute wie Pat zu unterstützen. Andererseits denke ich dass es auch in Europa noch wilde Natur und echt Abenteuer gibt, die entdeckt werden möchten. Wenn euch spontan Kurse oder besondere Naturerlebnisse einfallen, schreibt mir gerne. Ich freu mich schon viele von euch wieder in Wien zu sehen. Bis dahin könnt ihr hier an meinem Leben teilhaben: