Können wir noch Abenteuer erleben in einer perfekt geregelten Gesellschaft?

Auf einem traditionellen Mokoro im Okavango Delta umgeben von hungrigen Nilpferden

Wir stecken heutzutage in einem Dilemma. Wir sehnen uns nach Abenteuer und wilder Natur, doch die Welt in der wir leben ist nicht dafür konstruiert. Es wird alles dafür getan, dass unser Leben so einfach und strukturiert wie möglich ist: Wir wachen auf in einem perfekt temperierten Zimmer, in einem bequemen Bett. Bis zum Läuten des Weckers blockieren Jalousien die Sonne und sorgen für perfekten Schlaf. Sollte es draußen noch dunkel sein, betätigen wir einfach einen Schalter und haben Licht. Unser Essen holen wir aus dem Kühlschrank, Wasser kommt aus der Leitung, warmer Kaffee aus der Nespresso Maschine. Der Weg in die Arbeit wird uns durch ein Auto oder andere Transportmittel erleichtert. Alles, was wir jetzt noch tun müssen ist zu denken. Und selbst das wird uns manchmal abgenommen. Danke Alexa!

Zum Überleben reicht heute ein Smartphone

Wir sind bequem geworden und haben uns an all diesen neuen Errungenschaften gewöhnt. Und ganz ehrlich – ich möchte heute auch nicht mehr auf diese Dinge verzichten. Dennoch muss ich zugeben, dass wir dadurch ein Stück weit unsere Verantwortung abgeben. Wir brauchen uns nicht mehr um die Nahrungsbeschaffung kümmern (Lieferservice), oder wissen wie wir nachhause finden (Google Maps). Wir müssen auch nicht wissen, wie man ein Haus baut oder wie man eine Heizung installiert. Zum Überleben reicht es heute ein Smartphone bedienen zu können.

Um sämtliche Gefahr aus unserem perfekt geregelten Leben zu eliminieren, halten wir uns an Regeln und Gesetze. Wohl wissend, dass wenn wir uns an sie halten, uns weitgehend nichts passieren kann. Und wenn es uns einmal aus dem Großstadtdschungel zieht, halten wir uns brav an die Wanderwege, die uns genau sagen, wie lange wir bis zur nächsten Hütte und zurück zum Parkplatz brauchen. (Das soll jetzt bitte keine Aufforderung sein, sich abseits der Wege in Gefahr zu begeben. Sonst bekomm ich vom Alpenverein gleich eine auf den Deckel). Es gibt in unserer Gesellschaft heute einfach nahezu keinen Spielraum für Gefahren und Abenteuer.

Wir lebten 99 % der Geschichte wild

Dabei steckt dieses Bedürfnis ganz tief in uns:

„Die Sehnsucht nach Abenteuer und nach Natur ist im Menschen verankert. Sie wird aber in unserem alltäglichen Leben nicht mehr bedient.“ - Christo Foerster

Es ist nicht verwunderlich, dass wir uns nach Natur und Abenteuer sehnen, in uns stecken Millionen Jahre von Jäger und Sammler Instinkten. Mehr als 99 % der Geschichte der Menschheit lebten wir wild. Wir verbrachten die meiste Zeit unseres Tages in der Natur auf der Suche nach Nahrung und geeigneten Lagerplätzen. Wir lebten nicht in Betonblöcken und ernährten uns von Tiefkühlpizza, sondern waren echte Überlebenskünstler (ganz ohne Smartphone). Wir entdeckten wilde unberührte Orte, kämpften gegen Wind und Wetter und mit gefährlichen Tieren. Jeder Tag war ein Abenteuer!

Heutzutage scheint unser Planet gebändigt und gezähmt zu sein. Es gibt kaum einen Fleck, der nicht bereits auf irgendeiner Karte abgebildet ist und wilde Tiere haben wir in Europa größtenteils verbannt oder domestiziert. Und genauso wie die Tiere sind auch wir über die Zeit domestiziert worden. Wir verbringen unsere Zeit nicht mehr draußen in der Natur, sondern hauptsächlich vor Bildschirmen.

Laut dem Buch "Sapiens" sind wir heute an einem einzigen Tag mehr neuen Eindrücken ausgesetzt, als ein einfacher Bauer vor 100 Jahren in seinem gesamten Leben hatte. Ich bin mir nicht sicher, ob dieser Wert stimmt, doch die tägliche Informationsflut nimmt gewiss zu. In den letzten zwei Jahren stieg die durchschnittliche Zeit, die wir auf Bildschirmen verbringen, auf 10 Stunden pro Tag. Wo soll da noch Zeit für Abenteuer bleiben?

Müssen wir alle wieder Jäger und Sammler werden?

Die Jobbeschreibung eines Jäger und Sammlers kann auf den ersten Blick durchaus verlockend klingen: 4h Arbeitstage (So lange benötigte man damals für die Nahrungssuche), frisches Essen bestehend aus Obst, Beeren und gelegentlich Fleisch (alles Bio), du bist an der frischen Luft, viel Abwechslung und Abenteuer garantiert. Die Nachteile: kein fixes Büro, kein Zuhause und du kannst nur so viel besitzen, wie du selbst tragen kannst. Außerdem bekommst du keinen Gefahrenzuschlag und wenn du einmal krank bist, könntest du sterben. Ach ja und Smartphone kannst du sowieso vergessen!

Spaß beiseite. Ich denke nicht, dass wir wieder Jäger und Sammler werden sollten. Ich glaube auch nicht, dass wir die heutige Gesellschaft komplett verteufeln sollten. Nein, es wäre Irrsinn wieder zurück in Steinzeit zu wollen und auf all unsere Errungenschaften zu verzichten. Dennoch sollten wir uns hin und wieder unserer nicht allzu langen Vergangenheit bewusst werden und unserer Sehnsucht nach Abenteuer und Natur folgen.

Ein Spaziergang im Park ist zu wenig

Und dazu reicht ein Spaziergang im Park nicht aus. Wir müssen uns in richtige Wildnis begeben und spüren wie es sich anfühlt komplett auf sich selbst gestellt zu sein. Einer meiner Lieblingsautoren beschreibt das ganz gut:

“No man should go through life without once experiencing healthy, even bored solitude in the wilderness, finding himself depending solely on himself and thereby learning his true and hidden strength” - Jack Kerouac

Ich hatte heuer das Glück so ein Erlebnis im Okavangodelta in Botsuana erleben zu dürfen. Ich werde dazu an späterer Stelle berichten. In meinem nächsten Artikel wird es darum gehen, wo wir heute in Europa noch echte Wildnis finden können.

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Mein Büro im Bush: Ein Rückblick